Richtlinien zur Ausarbeitung
von Seminar- und
Proseminarvorträgen
Das Seminar findet üblicherweise zweistündig während des
Semesters statt. Jede Seminarveranstaltung besteht aus einem Vortrag eines
Teilnehmers zu dem gegebenen Thema und einer anschließenden Diskussion. An der
Diskussion sollen sich alle Teilnehmer beteiligen und der Vortragende
vertiefende Erläuterungen zum Vortragsthema machen. Natürlich haben alle
Teilnehmer auch Gelegenheit Verständnisfragen zum Thema zu stellen, soweit dies
nicht schon während des Vortrages geschehen ist. Die Vorträge werden während der
Semesterferien oder in der ersten Semesterwoche in einer Vorbesprechung
vergeben.
Der Seminarvortrag verfolgt drei Zwecke:
- Erlernung
der Techniken zur selbständigen Verarbeitung von nicht-trivialem Stoff und
dessen Präsentation. (Dies dient dem Vortragenden.)
- Aus
dem Vortrag sollen die Zuhörer etwas lernen; er soll ihnen die zeitraubende
Arbeit direkt mit der Literatur ersparen. (Dies dient den Zuhörern.)
- Erwerb
des Scheines.
Es ist wichtig für jeden Vortragenden und Zuhörer zu wissen, dass ALLE
das Recht haben, etwas von jedem Seminarvortrag zu haben, und die Pflicht, dafür
zu sorgen, dass die anderen von der eigenen Teilnahme am Seminar so weit wie
möglich profitieren. Das bedeutet:
für den Vortragenden:
Der Vortrag ist nicht nur dazu da,
den Professor davon zu überzeugen, dass man den Stoff verstanden hat, sondern
vor allem dazu, den Zuhörern Wissen zu vermitteln. Vortragende sollten sich
darauf einstellen, Fragen der Dozenten und der Teilnehmer während des Vortrags
zu beantworten. Solche
Unterbrechungen durch Fragen werden sich insbesondere ergeben, wenn das
Verständnis des Stoffes bei den meisten Zuhörern aussetzt.
für den Zuhörer:
Es ist kein Zeichen von
Höflichkeit, sondern eher von falsch verstandener Solidarität mit dem
Vortragenden bzw. eigener Scheu, wenn man im Seminar als Zuhörer nicht aktiv
mitarbeitet. Fragen an den Vortragenden ermöglichen ihm, sich der Zuhörerschaft
anzupassen und gegebenenfalls Unzulänglichkeiten seiner Darstellung an Ort und
Stelle auszumerzen.
Die Vorbereitung des Seminarvortrages sollte in Phasen ablaufen:
- Aneignen
und Verstehen des Stoffes. In der Regel sind die bei der Verteilung der
Vortragsthemen angegebenen Literaturstellen nicht vollständig, so dass eine
von den angegebenen Literaturstellen ausgehende Literatursuche notwendig ist.
Ihr Verständnis des Stoffes muss tiefgehend genug sein, um
- eine
vernünftige Stoffauswahl für die Präsentation (3.) und die schriftliche
Ausarbeitung (2.) zu treffen.
- Fragen
zu beantworten, die über den im Vortrag präsentierten Stoff hinausgehen,
solange sie Dinge betreffen, die Sie in der schriftlichen Ausarbeitung
besprochen haben, oder die in der von Ihnen bearbeiteten Literatur
diskutiert wurden.
- Vorbereitung
einer schriftlichen Ausarbeitung des Stoffes. Die Ausarbeitung sollte etwa 5
Schreibmaschinenseiten (bei Proseminare etwa 3 Seiten) umfassen. Es ist in
der Regel auch bei guter Originalliteratur nicht angebracht, die Textvorlage
lediglich zu übersetzen. Vielmehr muss eine Verarbeitung und Kürzung des
Stoffes vorgenommen werden. Die Auswahl der Details, die vorgestellt werden,
ist hierbei kritisch. Werden Details ausgelassen, so soll auf entsprechende
Literaturstellen hingewiesen werden. Die Vortragsausarbeitungen werden auf der
Homepage der Veranstaltung zur Verfügung gestellt.
- Vorbereitung
des Vortrages: DIESE IST NICHT MIT DEM ENTWURF DER AUSARBEITUNG IDENTISCH !
Während die Ausarbeitung die Literatur zum intensiveren Studium
überblicksartig aufbereiten soll, ist man beim Vortrag gezwungen, in Realzeit
zu folgen. Daher muss die beim Vortrag übermittelte Information wesentlich
geringer sein als das, was in der Ausarbeitung steht. Hier ist es besonders
wichtig, dass Sie sich genau überlegen, was Sie im Vortrag bringen und was
nicht. Setzen Sie Prioritäten ! Überhäufen Sie den Zuhörer mit Fakten, so
laufen Sie Gefahr, dass er sich gar nichts merkt. Dagegen bleiben wenige
markant vorgetragen Einsichten oft länger haften. Ihr Vortrag soll Ihr Thema
"verkaufen" und zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema anregen. Er soll das
Thema nicht vollständig bearbeiten. Daher ist Kritik, die bemängelt, dass das
Vortragsthema zu viel Stoff beinhalte, grundsätzlich fehl am Platze.
Wo die Ausarbeitung präzise und formal
argumentiert, sollten Sie im Vortrag auf die Vermittlung von Intuition Wert
legen. Arbeiten Sie viel mit graphischen Hilfsmitteln. Erläutern Sie die
Prinzipien des Stoffes an Beispielen. Beweisen Sie Sätze in halbformaler, zwar
präziser, aber intuitiver Form. Der Platz für streng formale Diskurse ist die
schriftliche Ausarbeitung.
Für den Vortrag haben Sie in der Regel ca. 50 Minuten Zeit. Danach
schließen sich 10-20 Minuten Diskussion an, die ggfs. teilweise schon während
des Vortrages stattfinden kann. In der Regel sollten Sie Ihren Vortrag mehrmals
Probe halten. Ein grober Missbrauch der Ressource Zeit (entweder beträchtliche
Zeitüberschreitungen oder beträchtliche Zeitunterschreitungen, letzteres bei
Auslassung wesentlicher Themeninhalte) ist nicht empfehlenswert. Im Gegenteil
ist die Zeitplanung der Präsentation des Stoffes eines der wichtigsten Lernziele
des Seminars/Proseminars.
Wenn Sie glauben, den Stoff verstanden zu haben, und wenn Sie eine Gliederung
der schriftlichen Ausarbeitung und des Vortrags haben, kommen Sie bitte zu einem
Vorgespräch zu einem der Veranstalter des Seminars (in der Regel zu mir).
Für die Ausarbeitung der Folien gibt es folgende Richtlinien:
- Schreiben
Sie groß und deutlich. Mehr als 12 Zeilen pro Folie sind in der Regel zu viel.
Beim Kopieren von Schreibmaschinentext oder Druckertext auf die Folie achten
Sie bitte auf ausreichende Zeichengröße und genügend Kontrast. Ist dies nicht
gegeben, schreiben Sie lieber mit der Hand. Normalerweise werden Sie die
Präsentation mit dem Rechner (Powerpoint o.Ä.) machen. Hier sind die rein
technischen Projektionsprobleme normalerweise zu vernachlässigen und es muss
in der Regel nur darauf geachtet werden, die Folie inhaltlich nicht zu
überfrachten.
- Schreiben
Sie nur das auf die Folie, was Sie nachher auch wirklich brauchen, und zwar
genau in der Art, in der Sie es brauchen. Es ist eine verbreitete Unsitte,
formale Beweise vollständig auf die Folie zu bringen und sie dann nur für ein
paar Sekunden aufzulegen, ohne den Beweis genau durchzusprechen. Auch nutzt es
nichts, eine formale Definition auf Folie zu präsentieren, die Sie dann doch
nur anschaulich und ohne Bezug zum Folientext erklären.
- Wenn
Sie mehrere Farben benutzen, seien Sie konsistent in deren Gebrauch.
- Wenn
Sie wesentlich mehr als 20 Folien haben, die Sie alle genau besprechen wollen,
dann kommen Sie wahrscheinlich mit der Zeit nicht aus.
In der Regel ist es schwieriger, an der Tafel zu arbeiten, als Folien zu
benutzen. Der Gebrauch der Tafel und der Entwurf des Tafelbildes muss genau
geplant und vorher ausprobiert werden. Oft werden an die Tafel mehr unbewusst
unzusammenhängende Satz- oder Formelteile geschrieben. Der Gebrauch der Tafel
ist, wenn er wohl überlegt ist, der angenehmste Vortragsstil für den Zuhörer,
aber er ist schwerer für den Vortragenden als der Gebrauch von Folien.
Komplexere Graphiken sollten in jedem Fall auf Folien vorbereitet werden.
Folgende Fragen dienen Ihnen zu einer eigenen Beurteilung Ihres
Vortrages:
- Wenn
die Teilnehmer nach dem Seminar gefragt würden, welcher Vortrag der
spannendste war, werden Sie meinen Vortrag nennen ?
- Werden
die Teilnehmer nach Ende des Seminars noch die Gliederung meines Vortrages
wiedergeben können ?
- Wie
viele der Seminarteilnehmer werden sich noch in zwei Monaten an meinen Vortrag
erinnern ?
- Wie
viele der Teilnehmer werden ein Studium meiner Ausarbeitung der Betrachtung
der Originalliteratur vorziehen ?
- Wie
viele Fragen kamen während und nach meinem Vortrag aus dem Publikum ? Wie
viele davon konnte ich beantworten ?
Das Bestehen des Seminars ist nicht selbstverständlich. Es wird nicht von
Ihnen erwartet, eine reibungslose Präsentation zu geben, da Sie ja erst durch
das Seminar selbst die Präsentation von wissenschaftlichem Stoff üben sollen. Es
gibt jedoch einige grundsätzliche Dinge, deren grobe Missachtung das
Nichtbestehen des Seminars zur Folge haben kann. Dazu gehören:
- Nichterscheinen
zur Vorbesprechung (nach Grobentwurf von Vortrag und Ausarbeitung) und
anschließende schlechte Präsentation.
- Grobes
Abweichen von der Vortragszielzeit oder unzureichende zeitliche Organisation
des Vortrages (etwa Auslaufen der Zeit nach Beendigung der Präsentation der
einführenden Definitionen oder Beendigung des Vortrags weit vor der Zielzeit
bei gleichzeitigem Auslassen wesentlicher Inhalte).
- Fehlen
wesentlicher Unterschiede zwischen Vortrag und Ausarbeitung (es sei denn, das
Thema legt ein solches Vorgehen ausnahmsweise nahe, und dann nur nach
Absprache).
- Grobe
Mängel bei der Organisation der Folien oder des Tafelbildes.
- Grobe
sprachliche Unzulänglichkeiten in Ausarbeitung und/oder Vortrag.
Eine letzte Bemerkung:
Mit der Übernahme Ihres Themas übernehmen Sie mit eine Teilverpflichtung für
das Gelingen der Lehrveranstaltung. Ein spätes Absagen der Teilnahme (nach einem
Zeitpunkt, wo noch Ersatz gefunden werden kann) ist somit in gewissem Maße auch
eine Sabotage an der Lehrveranstaltung und wird von mir (bei unzureichender
Begründung) auch so gewertet.
Ich wünsche Ihnen Freude und Erfolg bei der Vorbereitung und Durchführung des
Seminars und bitte Sie um Ihre Mitarbeit dabei, das Seminar zu einer
erfolgreichen Lehrveranstaltung zu machen.
Rolf Backofen
Referenz: Thomas Lengauer, 1996-2000, Richtlinien für
Seminare. Diese Hinweise sind in leicht abgewandelter Form von Prof. Dr. T.
Lengauer, Universität Bonn entworfen und von mehreren Dozenten als Richtlinien
für Lehrveranstaltungen an verschiedenen Universitäten im Grund- und
Hauptstudium verwendet worden.